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26.9.2022

Ladepunkte schaffen für E-Autos in der Tiefgarage. Dabei sind Probleme mit Mietern und WEG-Gesellschaftern nicht selten. Beratende Architekten sollten aufpassen.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Dr. Peter Hoffmann

Eine Problemstellung wie sie künftig häufiger vorkommen dürfte: Man stelle sich eine größere Wohnanlage mit vielen Wohnungen vor, die vermietet sind. Unter der Wohnanlage liegt eine Tiefgarage mit z. B. 250 Stellplätzen.

 

Einer der Mieter möchte in der von ihm mit gemieteten Tiefgaragenbox für sein Elektroauto eine Ladestation anbringen. Die möchte er von einem von ihm selbst ausgewählten Fachunternehmen montieren lassen.

 

Er wendet sich an die Verwaltung mit der Bitte um Zustimmung für die Durchführung der Arbeiten - und die Verwaltung lehnt die Zustimmung ab mit der Begründung, man befürchte, dass die Leistungsfähigkeit der Elektroanlage der Gesamtanlage überfordert werde, wenn noch weitere Mieter sich selbst einen Ladepunkt (Neudeutsch: Wallbox) in ihrer Tiefgaragenbox montieren lassen. Man wolle alle Mieter gleich behandeln und bitte um Geduld, bis ein Gesamtkonzept für die Wohnanlage erstellt sei, unter Einbeziehung von Fachleuten, die dann vermutlich eine größere Investition für die Gesamtanlage ermitteln (nach aller Erfahrung kostet die Ausstattung einer Tiefgarage mit rund 200Stellplätzen auf dem Preisniveau von Mitte 2022 mind. EUR 90.000,00).

 

Unser elektro-auto-begeisterter Mieter will nicht warten und verklagt die Verwaltung der Eigentümer auf Zustimmung zu der von ihm geplanten Individual-Ladepunkt-Installation.

 

In I. Instanz verliert er. Er geht in Berufung und -gewinnt.

 

Das Landgericht München nimmt eine eigenwillige Interessenabwägung vor. Einerseits sei nachvollziehbar, dass der Vermieter als Eigentümer der Gesamtanlage eine „Lösung für alle“ erarbeiten wolle, um alle Mieter gleich zu behandeln.

 

Das Landgericht München ist der Meinung, dass es nicht entscheidend sei, dass möglicherweise künftig noch andere Mieter einen solchen Anschluss für sich beanspruchen und dass dann die elektrotechnische Ausstattung der Tiefgarage hierfür nicht mehr ausreicht. Der entscheidende –wertende - Satz des Urteils lautet:

 

„Aufgrund einer unbestimmten künftigen Entwicklung, deren Eintritt überhaupt noch nicht sicher ist, kann der gegenwärtige Anspruch der Klagepartei nicht eingeschränkt werden.“

 

Die vom Vermieter angestrebte Gleichbehandlung mehrerer Parteien stelle sich konkret noch nicht. Sie würde sich nach Auffassung des Landgerichts allenfalls dann stellen, wenn später auch noch andere Mieter einen Elektroanschluss wünschen, so LG München Urteil vom 23.06.2022 – Az. 31 S1201/21 = BeckRS 2022, 14161.

 

Hintergrund der Entscheidung ist § 554 BGB. Diese im Jahr2020 neu gefasste Vorschrift bestimmt, dass der Mieter grundsätzlich einen Anspruch dahingehend besitzt, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, wenn diese Veränderungen dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen.

 

Meines Erachtens hat das Gericht unberücksichtigt gelassen, dass dies zu einer Art Wildwuchs oder zu einem Windhundprinzip führen kann. „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Ob das eine weise Entscheidung ist, darf deshalb bezweifelt werden.

 

Die Entscheidung hat auch Bedeutung für Architekten und Ingenieure, die einen Eigentümer oder eine Eigentümergemeinschaft beraten. Man wird nämlich dem Eigentümer raten müssen, nicht zu lange mit einer Entscheidung über eine Gesamtlösung zuzuwarten, um zu vermeiden, dass nämlich andernfalls erfolgreich einzelne Mieter vorpreschen und sich selbst einen individuellen Ladepunkt installieren lassen mit der Folge, dass später dann eine große Lösung nicht oder nur mit größeren Schwierigkeiten verwirklicht werden kann.

 

Eine  Ergänzung: In einer Wohnanlage von einzelnen WEG-Eigentümern kann sich die Sache anders darstellen, da hier § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG das Verhältnis unter den WEG-Gesellschaftern regelt. Diese Vorschrift gilt nicht gegenüber dem Mieter und kann deshalb im Rahmen einer reinen Eigentümergemeinschaft zu einem anderen Ergebnis führen.Aber das ist eine andere Geschichte.

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