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3.11.2023

Strategische Überlegungen zur Abnahme von Bauleistungen

Fünf Tipps um besser durch die Abnahmesituation zu kommen.

Dr. Steffen Albrecht

Im Basketball gibt es die "Crunch Time". Es ist die Schlussphase des Spiels, in der die Spannung zu greifen ist und kleinste Fehler über Sieg und Niederlage entscheiden.

Auch bei Bauvorhaben kommt es gerne - kurz vor Schluss - zu Situationen, in denen die Nerven blank liegen - und zwar dann, wenn die Abnahme ansteht.

  • Eine Malermeisterin benötigt starke Nerven, wenn ihr Auftraggeber bei der Abnahmebegehung im hintersten Eck nach feinen Einschlüssen im Anstrich sucht, um eine Minderung des Werklohns vorzubereiten.
  • Die Erwerberin fühlt sich überrumpelt, wenn der Bauträger im Übergabetermin die Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls zur Voraussetzung für die Schlüsselübergabe macht.

Während beim Basketball die Spielzeit begrenzt ist, liegt es beim Bauvertrag in den Händen der Parteien, wie lange die Partie andauert. Scheitert die Abnahme, kann sie sich zu einer zeit- und kostenintensiven Hängepartie entwickeln. Echte Gewinner sind dann selten.

Doch wie kommt man geschickt und möglichst unbeschadet durch die Abnahmesituation?

Hier - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - fünf Überlegungen, Tipps und Tricks:

1. Die besondere Situation der Abnahme verstehen

Zunächst hilft das Verständnis von den rechtlichen Hintergründen aber auch der psychologischen Situation, in der sich vor allem der Besteller befindet.

Die Abnahme ist die Billigung des Werkes als im Wesentlichen vertragsgerecht durch den Besteller
  • Sie kann ausdrücklich (z.B. durch Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls), aber auch
  • stillschweigend durch Ingebrauchnahme des Werkes oder die vorbehaltlose Zahlung der Schlussrechnung erfolgen.

Die Abnahme hat weitreichende Rechtsfolgen:

  • Die Gefahr geht über: Vor der Abnahme trägt ein Malerbetrieb die Gefahr, dass der Anstrich nochmal neu gemacht werden muss. Nach der Abnahme ist es dann Sache der Bauherrin, das nächtliche Graffiti auf eigene Kosten beseitigen zu lassen.
  • Der Werklohnanspruch wird fällig: Auch wenn das Dach fertig ist, kann der Dachdecker für das neue Dach bis zur Abnahme nur Vorauszahlungen verlangen. Erst mit der Abnahme wird sein Werklohnanspruch fällig.
  • Der Besteller trägt die Beweislast: Vor der Abnahme ist es Sache des Fensterbauunternehmens, zu beweisen, dass die Fenster mangelfrei sind. Nach der Abnahme liegt die Beweislast beim Besteller.
  • Die Verjährungsfrist (bei Bauvorhaben häufig - aber nicht immer! - 5 Jahre) beginnt am Tag der Abnahme zu laufen. Die Frist exakt zu kennen ist wichtig, um Gewährleistungsrechte wegen später bekannt gewordener Mängel geltend zu machen.
  • Mängelrechte wegen Mängeln, die dem Besteller bekannt waren, kann der Besteller nur noch geltend machen, wenn er sich die Rechte bei der Abnahme ausdrücklich vorbehält.

Auch wenn die Abnahme nur vom Besteller erklärt werden kann, ist der Besteller in seiner Entscheidung nicht frei. Liegen keine wesentlichen Mängel vor, ist er verpflichtet, die Abnahme zu erklären. Verweigert er die Abnahme unberechtigt, treten die meisten Rechtsfolgen dennoch ein.

Die Rechtsordnung bringt den Besteller in eine schwierige Situation.

Diese Rechtslage schafft eine auch psychologisch brisante Situation: Die Abnahme hängt allein vom Besteller ab und liegt doch im Interesse des Unternehmers. Wenn keine wesentlichen Mängel vorliegen, ist der Besteller zur Abnahme verpflichtet. Damit bringt die Rechtsordnung den Besteller in eine schwierige Situation, in der viel von ihm erwartet wird - er soll "Größe" zeigen auf die Gefahr hin, selbst Schaden zu nehmen.

Dass es Bestellern nicht immer leichtfällt, die Abnahme zu erklären und den idealen Boden für Streit bietet, liegt auf der Hand.

Dies gilt besonders dann, wenn weitere Umstände hinzutreten, die dazu führen, dass der Besteller mit dem Bauvorhaben oder dem Bauunternehmer hadert - und es ihm daher schwerfällt mit der Abnahme - so mag es wirken - "auf die Schulter zu klopfen":

  • Wollte ein Ehepaar ein Familienhaus bauen lassen und steht nun die Scheidung an, kann auch ein perfektes Haus den eigentlichen Traum, für den man so viel Geld ausgeben hat, nicht mehr erfüllen.
  • Ging der Bauträger davon aus, dass er die Wohnungen gewinnbringend verkaufen kann und ist der Markt eingebrochen, kann dies Anlass sein, die Abnahme zu verzögern und auf Zeit zu spielen.
  • Ist es bei einem Bauvorhaben alles andere als rundgelaufen, gab erhebliche Mängel, Bauzeitverzögerungen, unerwartete Nachträge und vielen Ärger mehr, mag man geneigt sein, durch ein akribisches Abnahmeprotokoll "Dampf abzulassen".

Diese Hintergründe- auch im Einzelfall - richtig zu verstehen und zu sehen ist wichtig, um richtig handeln zu können.

2. Sich dem Thema stellen

Der Besteller könnte nun auf den Gedanken kommen, sich dieser Zumutung zu entziehen, indem er die Abnahme einfach verweigert.

Das kann gefährlich sein:

  • Liegen keine wesentlichen Mängel vor, läuft er Gefahr, mit eine kostenintensiven Abnahmeklage zu provozieren.
  • Verweigert er die Abnahme unberechtigt, treten die meisten Rechtsfolgen trotzdem ein.

Und auch das Ignorieren eines Abnahmewunsches birgt Risiken. Hier besteht die Gefahr, dass eine stillschweigende Abnahme oder aber eine Abnahmefiktion eintritt. Zudem führt die "Nichtabnahme" häufig zu Unsicherheiten bei den Gewährleistungfristen.

Es ist daher auch im Interesse des Bestellers, sich den Abnahmethemen bewusst und aktiv zu stellen.

3. Unnötigen Streit vermeiden und klare Kante zeigen

Viele Streitigkeiten und Reibereien rund um die Abnahme sind juristisch unnötig. So ist es beispielsweise meist kontraproduktiv, wenn bei Abnahmebegehungen von Unternehmerseite das Vorliegen von Mängel bestritten wird und man sich weigert, die gerügte Erscheinung in das Abnahmeprotokoll aufzunehmen. Der Auftragnehmer ist kraft Gesetzes de facto verpflichtet, Mängel aufzulisten - es ist eigentlich auch seine Sache, das Protokoll zu verfassen. Auch bedeutet die Unterschrift des Auftraggebers unter einem Abnahmeprotokoll regelmäßig kein Anerkenntnis des Mangels.

💡 Besser ist:

  1. Erkennbare Erscheinungen im Sinne einer gemeinsamen Zustandsfeststellung beim Abnahmetermin festzuhalten.
  2. Die Bewertung als Mängel einem zweiten Schritt vorzubehalten.

Manchmal kann es aber auch nötig sein, klare Kante zu zeigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn gravierende rechtliche oder tatsächliche Fehlvorstellungen im Raum stehen.

  • Der Auftraggeber sollte bei gravierenden und eindeutigen Mängeln durchaus auch in der Lage sein, den Konflikt auszuhalten, den die Verweigerung der Abnahme auslöst.
  • Andererseits darf der Auftragnehmer durchaus auch frühzeitig überzogenen Einbehalten des Bestellers entgegentreten.

4. Technische Hintergründe beleuchten und einordnen

Häufig bildet technische Unwissenheit einen fruchtbaren Boden für Streit. Für den Laien ist es häufig schwer einschätzen, ob eine Erscheinung nur ein kleinerer optischer Mangel oder Symptom eines viel größeren Problems ist. Gerade bei komplexen Themen ist es sinnvoll, eine Sachverständige hinzuzuziehen - auch um Risiken besser einschätzen zu können.

Technische Fragen spielen auch für Bewertung von Rechtsfragen eine zentrale Rolle:

  • Ob wesentliche Mängel vorliegen und damit, ob der Besteller berechtigt ist, die Abnahme zu verweigern.
  • Welche Rechtsfolgen sich ergeben - also insbesondere, ob und in welcher Höhe Zurückbehaltungsrechte vorliegen und welche Mängelrechte (insbes. Ersatzvornahme, Minderung, Schadensersatz usw.) bestehen.

Dabei werden meist auch Antworten auf bautechnische Fragen benötigt:

  • Liegt ein Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik vor?
  • Welche Folgen und Nachteile hat der Mangel?
  • Welche Schäden können eintreten, wenn der Mangel nicht beseitigt wird?
  • Welche Maßnahmen sind voraussichtlich zur Mangelbeseitigung erforderlich? Welcher Aufwand - auch Folgeaufwand - wird dann entstehen?

Es ist sinnvoll schon bei der Beauftragung das eigentliche Ziel vor Auge zu haben, um sicherzustellen, dass sich der oder die Sachverständige zielgerichtet den für den Fall relevanten Fragen widmen kann.

5. Das eigentliche Problem erkennen

Und schließlich: Kaum eine Abnahmesituation gleicht der anderen. Es kann daher auch keine "Allgemeingültige Strategien" geben.

  • So mag es sein, dass ungeklärte technische Fragen die Ursache für den Streit sind und schon eine Versachlichung der Diskussion zu einer Lösung führt.
  • Werden dagegen überzogene und nicht plausible Einbehalte gemacht, kann dies für den Auftragnehmer Anlass sein, an der Zahlungsfähigkeit bzw. -willigkeit des Auftraggebers zu zweifeln. Hier ist es u.U. naiv, nur auf eine sachliche Klärung zu vertrauen.
  • Falls der Streit um die Abnahme ein "Ventil" für andere Themen ist, sollte geprüft werden, ob es nicht andere bauvertragliche Ansprüche und Themen wie Abrechnungsstreitigkeiten, Bauzeitansprüche oder ähnliches auf die Tagesordnung gehören. Auch dies kann zu einer Versachlichung der Diskussion führen und helfen, "Druck" aus der Abnahmesituation zu nehmen.

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