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25.10.2022

Wie mit Materialpreissteigerungen und Lieferproblemen am Bau umgehen?

Vertragsanpassung, Preisklauseln und Nachträge – Strategien und Rechte beim Bauvertrag in Krisen-Zeiten.

Dr. Steffen Albrecht

Es gab schon einfachere Zeiten am Bau. Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und seine Folgen stellen Bauprojekte auf nicht absehbare Zeit vor neue Herausforderungen und Unsicherheiten:

  • Auch wenn auf Baustellen in Deutschland während der Corona-Pandemie durchgearbeitet wurde – weltweite Lockdowns haben zu Produktionsausfällen, Lieferproblemen und Störungen in den Lieferketten und Preissteigerungen geführt, die erhebliche Auswirkungen auf die Bauwirtschaft hatten.
  • Verschärft wurde die so bereits angespannte Lage durch den Ukraine-Krieg. In der Ukraine kam zunächst die Produktion von Bauprodukten (insbesondere Baustahl) zum Erliegen, teilweise konnten bereits produzierte Produkte nicht oder nur verspätet geliefert werden.
  • Der Wirtschaftskrieg mit Russland lässt die Energiepreise stark ansteigen und führt dazu, dass Produkte und Rohstoffe aus Russland hierzulande nicht mehr verfügbar sind.

In der Folge steigen die Baupreise erheblich an und es gibt vermehrt Lieferprobleme.

Steigende Preise und Lieferkettenprobleme können auf laufende oder geplante Bauvorhaben gravierende Auswirkungen haben, wie folgende Beispiele veranschaulichen:

  • Lieferprobleme bei Stahlmatten können dazu führen, dass mangels Bewehrung die Bodenplatte eines Gebäudes nicht betoniert werden kann. Dies wird sich auf  Folgegewerke auswirken, da auch diese dann nicht wie geplant beginnen können.
  • Können Bauprodukte nicht mehr geliefert werden, kann dies zu zeit- und kostenintensiven Umplanungen führen.
  • Kann ein Hersteller von Heizungsanlagen Steuerungs-Elektronik (z.B. Chips, Prozessoren, Platinen) nicht beschaffen, kann er die Anlage nicht herstellen. Ohne Heizung kann der Heizungsbauer seinen Auftrag nicht fertigstellen. Ohne Heizung wiederum ist ein Haus nicht "bezugsfertig", sodass der Bauträger es dem Erwerber nicht übergeben kann.
  • Höhere Baupreise bei steigenden Bauzinsen und höhere Unsicherheit können dazu führen, dass Bauvorhaben gar nicht erst in Angriff genommen – und dringend benötigte Baumaßnahmen verschoben werden.

Ausflüchte und „Kriegsgewinne“ – die Krise als Vorwand

Neben tatsächlichen und echten Problemen bieten Krisen aber auch die Möglichkeit für Vorwände und Gewinnmitnahmen. Unter Verweis auf angebliche Corona-Fälle oder vermeintliche Lieferkettenprobleme lassen sich schwer prüfbare Ausreden für verspätete Leistungen finden. Mancher oder manche mag angesichts der Krise auch die Chance wittern, unter Verweis auf eine unsichere Lage, höhere Gewinne durchzusetzen – schon ein entsprechender Verdacht kann zu Konflikten führen.

Wegfall der Geschäftsgrundlage und höhere Gewalt – Rechtsfragen der Krise

Aus rechtlicher Sicht werfen die derzeitigen Krisen neue Rechtsfragen und -Ideen auf, bzw. lassen altbekannte Fragen in neuem Licht erscheinen:

  • Hat sich durch den Ukraine-Krieg die Geschäftsgrundlage eines Vertrages geändert? Kann ein Unternehmen unter Berufung auf § 313 BGB höhere Preise verlangen?
  • Muss eine Bauherrin den durch Lieferprobleme entstandenen Verzugsschaden hinnehmen? Liegt bei einem VOB-Vertrag ein Fall "höherer Gewalt" i.S.d. § 6 Abs. 2 VOB/B vor?
  • Kann ein Bauunternehmen im Falle eines verschobenen Baubeginns Lager- und Vorhaltekosten gem. § 648 BGB in Rechnung stellen?
  • Kann ein Unternehmer verlangen, dass eine Preisgleitklausel vereinbart wird? Wie kann solch eine Regelung rechtssicher und praktikabel ausgestaltet werden?
  • (Wie) wird der Zusatzaufwand von Architekten und Architektinnen vergütet, der durch die Rechnungsprüfung im Falle von Preisklauseln entsteht?

Manches spricht dafür, dass die aktuellen Krisen zumindest zum Teil zu "neuen" Antworten und Wertungen führen können.

Der Kriegsbeginn als Zäsur – eine neue Perspektive im Baurecht?

Beim Ringen um die richtige Lösung wird der Blick von Anwältinnen und Anwälten oder des Gerichts auf die Umstände des konkreten Einzelfalls gehen. Es wird zu prüfen sein, ob wirklich eine Sondersituation vorliegt - oder ob bei wertender Betrachtung der Krieg als Vorwand dient.

Vieles spricht zudem dafür, dass das Datum des Kriegsbeginns bei der rechtlichen Betrachtung eine wichtige Rolle spielt:

  • Bei Verträgen, die vor dem Kriegsbeginn am 24.02.2022 geschlossen wurden, fällt es leichter, belegte Kostensteigerungen nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage geltend zu machen und Preise nachträglich zu erhöhen.
  • Ein Fall höherer Gewalt ist leichter anzunehmen, wenn die Bestellung vor Kriegsbeginn veranlasst wurde, sodass sich die Ausführungsfrist verlängern kann. Wurde dagegen ohnehin zu spät bestellt, ist zweifelhaft, ob der Kriegsbeginn einen Unternehmer oder eine Unternehmerin noch exkulpieren kann.

Preisanpassungsklauseln und Vertragsgestaltung – auf den Vertrag kommt es an.

Bei Bauverträgen, die nach Kriegsbeginn geschlossen wurden – und vor allem solchen, die gerade verhandelt werden – ist die Situation eine andere. Hier haben die Vertragsparteien die Möglichkeit, ihre Verträge anzupassen. Es ist zu erwarten, dass die Rechtsprechung dies auch verlangen wird. 

Die rechtlich einfachste und wohl sicherste Art der der Vertragsanpassung ist die Preiserhöhung. Eine Preiserhöhung kann auch zu einer interessengerechten Lösung führen. So haben Bauunternehmen in der aktuellen Situation einerseits ein höheres Risiko, andererseits sind sie aufgrund ihrer unternehmerischen Möglichkeiten besser in der Lage, Risiken einzuschätzen und Risikovorsorge zu betreiben.

Das Instrument der Preiserhöhung hat natürlich auch Grenzen. Preise können nicht unbegrenzt steigen. Spätestens dann, wenn es zu einer Rezession kommen und der Spielraum für Preiserhöhungen schwinden sollte, wird die Frage an Bedeutung gewinnen, welche anderen Instrumentarien und Möglichkeiten bestehen. Insbesondere die Vertragsgestaltung bietet ein Vielzahl rechtlicher Möglichkeiten und Stellschrauben:

  • Preisanpassungsklauseln bieten die Möglichkeit, den Preis auf Basis der tatsächlichen Kostenentwicklung fortzuschreiben. Vorbehaltsklauseln ermöglichen es, bei geänderten Rahmenbedingungen einen neuen Preis festzulegen.
  • Mitwirkungspflichten der Bauherrschaft, z.B. Fristen zur Planlieferung oder zur Bemusterung, können dazu beitragen, dass sich unnötige Verzögerungen vermeiden lassen – und wenn doch, dass die hierdurch entstehenden Schäden von der Bauherrschaft zu tragen sind.
  • Die Grundannahmen und Erwartung der Parteien, z.B. zu Bezugspreisen oder der Lieferbarkeit von Produkten können vertraglich fixiert und zur     Vertragsgrundlage gemacht werden. Werden die Erwartungen nicht erfüllt, lässt sich der Vertrag dann leichter anpassen.
  • Durch Stufen- oder Teilleistungsverträge lässt sich ein Bauvorhaben in Phasen untergliedern, die notfalls eine einvernehmliche Beendigung und leichtere     Verwertung der bisherigen Ergebnisse ermöglichen.

Solche Vereinbarungen sind häufig im beiderseitigem Interesse. Eine Begrenzung des unternehmerischen Risikos kann auch im Interesse der Bauherrschaft liegen, wenn dies zu geringeren Risiko-Zuschlägen und damit zu einem niedrigeren Preis führt. Durch solche Vereinbarungen lässt sich Konflikten vorbeugen oder gar die Grundlage schaffen, dass ein Bauvorhaben in Angriff genommen werden kann.

Die rechtliche Ausgestaltung kann eine Herausforderung sein. Preisanpassungsklauseln kamen in der Vergangenheit bei Bauverträgen selten zum Einsatz. Die vorliegende Rechtsprechung hierzu ist auf den ersten Blick ernüchternd, weil Klauseln meist für unwirksam gehalten werden. Dies sollte Anlass zur Sorgfalt – nicht aber  dazu sein, Preisanpassungsklauseln auszuschließen. Die aktuellen Situation schafft neue Notwendigkeiten, die ihrerseits rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. So können die derzeitigen Unsicherheiten bei der AGB-Kontrolle und damit bei der Prüfung von Vertragsklauseln Berücksichtigung finden.

Umplanungen, Nachträge und Vertragsanpassung – wenn es anders kommt als geplant, ist kluges Projektmanagement gefragt.

Kommt es zu Problemen im Bauablauf, stellt sich die Frage, wer für die Verzögerungen verantwortlich ist und was es zu beachten gilt.

Werden Umplanungen notwendig, stellt sich die Frage, welche Nachtragsforderungen berechtig sind.

Bei solchen baubegleitenden Rechtsfragen und Konflikten ist es häufig wichtig, rechtzeitig eine passende Strategie zu entwickeln – auf Grundlage der Rechtslage und auch, um für den „worst case“ gewappnet zu sein.

Krisenzeiten sind spannende Zeiten

Nicht nur – aber besonders – in Krisenzeiten ist es an den Parteien, das Beste aus schwierigen Rahmenbedingungen zu machen.

Rechtliche Mittel und Instrumente stehen zur Verfügung und sollten genutzt werden, bevor „das Kind in den Brunnen gefallen ist“.

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