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15.11.2020

Das Drama vor dem Drama

Arbeitszeit – immer wieder spannend

Dr. Peter Hoffmann

Im Rahmen eines Schulprojekts sollte eine Schulklasse in Begleitung eines Lehrers ein Theaterstück besuchen, da dieses zu einem Unterrichtsprojekt passt.

Das Theater endet gegen 22.15 Uhr. Die Lehrerin erklärt, einschließlich der Verabschiedung der Schüler nachdem Stück ende damit ihr Arbeitstag frühestens um 22.30 Uhr.

Am nächsten Morgen hat sie zur ersten Stunde Unterricht, d.h. ab 7.30 Uhr. Zwischen der Verab­schiedung des letzten Schülers nach der Theateraufführung und der Begrüßung der unausge­schlafenen Schüler am nächsten Morgen liegen also für die Lehrerin nur neun Stunden.

Straße mit Absperrung

Die Lehrerin will angesichts dessen die erste Stunde am folgenden Tag nicht antreten. Der Direktor meint, sie könne sich doch ausreichend während des Theaterstücks erholen und dabei  ein wenig die Augen schließen. Auch sieht er es nicht ein, dass die Schüler, obschon ebenfalls erst um 22.30 Uhr frühestens daheim, am nächsten Tag um 7.30 Uhr wieder vor Ort in der Schule sein müssen, nicht aber die Lehrerin. Wie ist die Rechtslage?

Ist die Lehrerin nicht  verbeamtet, gilt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) direkt und das Gesetz ist in  § 5 ArbZG eindeutig. Nach Beendigung der Arbeitszeit ist eine  ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren. Dabei hilft  der Einwand des Direktors („Ausruhen während des Theaterstücks“) nicht, denn  die Ruhezeit ist zu unterscheiden von der Ruhepause. Ruhezeit ist der Zeitraum zwischen dem Ende der täglichen Arbeitszeit und der Wiederaufnahme der Tätigkeit am darauffolgenden Tag. Ruhepausen sind dagegen nur Arbeitsunterbrechungen innerhalb der Arbeitszeit.

Unserem Direktor hilft auch  § 5 Abs. 3 ArbZG nicht, da es sich bei der Schule nicht um eine Ein­richtung  „zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen“ handelt – obwohl man das  an­nehmen könnte. Auch unterfällt die Schule nicht den Ausnahmemöglichkeiten von § 5 Abs. 2 ArbZG.

Helfen könnte eine Dienstvereinbarung mit dem Personalrat gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG. Da­nach  kann die Ruhezeit durch Vereinbarung um bis zu zwei Stunden gekürzt werden. Unserem Direktor ist von einer solchen Vereinbarung nichts bekannt.

Wäre die Lehrerin  verbeamtet, verhielte es sich nicht wirklich besser, denn dann würde die Ver­ordnung  über die Arbeitszeit und den Urlaub für Beamte in Baden-Württemberg gelten (AzUVO). Im dortigen § 11 findet sich derselbe Hinweis auf das Erfordernis  einer 11-stündigen Ruhezeit nach Beendigung der Arbeit. Allerdings gibt es in  § 11 Abs. 1 Satz 4 ein Schlupfloch: Danach kann die oberste Dienstbehörde Ausnahmen zulassen. Hier müsste also unser Schuldirektor an das Ministerium herantreten. Aber bis von dort entschieden wäre, dürfte das Theaterstück längst vom Spielplan abgesetzt sein.

Ich habe dem Direktor eine pragmatische Lösung empfohlen: Der Lehrerin wenigstens die erste Stunde freigeben – und den Schülern auch. Er scheint so gehandelt zu haben. Ich habe nie wieder etwas von der Sache gehört.

Es bleibt die interessante  Frage, weshalb das Recht dem Beamten/dem Angestellten eine 11-stündige Ruhezeit gewährt – nicht aber dem Schüler. Auf jeden Fall schweigt die Verordnung über „außerunterrichtliche Veranstaltungen der Schulen“ hierzu. In  Betracht käme allenfalls die Befreiung auf Antrag von der Teilnahme an der ersten Stunde nach dem berauschenden Theaterabend gemäß § 2 der Schulbesuchsverordnung.

Man sieht: Am besten klappt die pragmatische Lösung.
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